Dorfleben
Mehr als eine Baugemeinschaft

Allmende Wulfsdorf hat geschafft, wovon viele träumen: ein nachbarschaftliches Leben zu organisieren, natur- und stadtnah, ökologisch und gemeinschaftlich.

Fünf Jahre Arbeit Dabei waren tausend Entscheidungen zu fällen, große und kleine Vorlieben zu beachten, an viele Details zu denken – und die Kosten bloß nicht aus den Augen zu verlieren. Fünf Jahre hat Allmende geplant – gebaut wird immer noch – unzählige Mitgliederversammlungen und Arbeitstreffen abgehalten, Visionstage durchgeführt sowie Verhandlungen mit den Städten Hamburg und Ahrensburg erfolgreich gemeistert. Insgesamt ist eine Gesamtsumme von über 25 Millionen Euro investiert worden. Dabei haben wir versucht, den Spaß am gemeinsamen Planen nicht zu verlieren und mit den natürlich auftretenden Konflikten klar zu kommen.

Aus der Vogelperspektive Betrachtet man Allmende aus der Luft, sieht man eine kleine Dorfgemeinschaft mitten im Grünen. Wulfsdorf ist ein Teil von Ahrensburg. Zwischen Kita und Gesundheits- und Dienstleistungszentrum betritt man das autofreie Gelände. Es ist als tauche man in eine andere Welt ein. Ruhig und gelassen ist die Stimmung, üppig wuchern mittlerweile die Pflanzen, auf geschwungenen Fußwegen gelangt der Besucher zu den Gebäuden – hier und da werkeln Bewohner an Häusern und in Gärten. Die umgebauten und im Dachgeschoss mit Holz verkleideten Altbauten und die farbenfrohen Neubauten mit Energiesparmodus hören auf so klangvolle Namen wie „Bernstein“, „Buntspecht“, „Middenmang“ oder „Löwenzahn“. Die Menschen auf Allmende sind so vielfältig wie die Orte, aus denen sie kommen.

Von Pferden, Pflanzen und Philine Sonntagmorgen um halb sechs ist die Welt noch in Ordnung – die zwölfjährige Philine steht ohne Wecker auf, um zum Melken auf den benachbarten Gutshof zu gehen. „Das ist einfach viel schöner hier, das ist ein Stück Natur“, schwärmt sie. Obwohl sie unter der Woche früh das Haus verlässt, um in die Schule nach Farmsen zu fahren, genießt sie das Leben draußen in der Natur. Vorher in Altona hatte die Pferdenärrin und Pflanzenliebhaberin nie das Glück, einfach reiten gehen zu können oder in der Umgebung Kamille zu sammeln. Philine lebt am nördlichen Ende der Allmende in einem Holzhaus gemeinsam mit ihren Eltern und ihren kleineren Geschwistern. Das Gebäude strahlt Wärme und Gemütlichkeit aus – mit einer modernen, offenen Architektur im unteren Wohnküchenbereich. Unbearbeitete Holzstämme dienen als tragende Pfeiler. Sie stehen da, als wäre das Haus um sie herum gebaut.

Das Feriendorf-Gefühl Ihre Nachbarn Sonja und Helge waren überzeugte Abonnenten einer Gemüsekiste, die ihnen Öko-Lebensmittel ins Haus nach Wandsbek brachte. In der Kiste fanden sie den Flyer, der ihr Leben verändern sollte: Allmende Wulfsdorf suchte noch Mitstreiter. Was sie begeistert, ist das „Feriendorf-Gefühl“. Wenn die Kinder vom Spielen kommen, ist immer alles voller Sand – wie nach dem Strandbesuch an der Ostsee. „Das ist wie im Dschungel hier.“ Sonja und Helge arbeiten auch auf der Allmende Wulfsdorf: „Mit unserer Praxis bauen wir uns hier eine Zukunft auf.“ Sie freuen sich über das Potenzial auf Allmende: „Hier leben Menschen mit sehr vielen Qualitäten – es ist Wahnsinn, was für ein tolles Ferienprogramm intern auf die Beine gestellt wird.“

Landleben lockt an „Was mich gelockt hat, ist das Landleben“, sagt Anita. Sie ist auf dem Lande aufgewachsen. Zuletzt hat sie mitten in Hamburg, im Stadtteil St. Georg, gewohnt. Den größten Vorteil sieht sie für die Kinder: „Unsere Kinder können einfach vor die Haustür gehen. Es ist ein Privileg, hier zu wohnen.“ Außerdem sind meist unkomplizierte Kontakte in der Nachbarschaft möglich. Manchmal hängt ein Zettel im Treppenhaus: „Heute Spieleabend“. Spontan sitzen dann schnell zehn Leute beieinander. Die kleine Gemeinschaft vereinigt alles, was ein richtiges Dorfleben ausmacht: „Das Dorf ist wirklich ein Dorf, alles spricht sich herum.“ Auch im Notfall ist man füreinander da. Dann fährt zum Beispiel der Nachbar nachts um vier Uhr das Kind von nebenan hilfsbereit ins Krankenhaus.

An der Grenze des Machbaren „Mir gefiel, dass es ein großes Projekt ist“, sagt Anita. Aber es sei auch am Rande des Machbaren. Es ist sehr viel Engagement nötig, um den Durchblick zu behalten. Gemeinschaft bedeutet halt auch für jeden etwas anderes: „Mein Eindruck ist, dass alle mit sehr unterschiedlichen Erwartungen hierher gezogen sind.“ Die Planung und der Bau des Projektes waren eine große gemeinsame Leistung, ein Kraftakt, in dem viel um Kompromisse verhandelt und gerungen werden musste. Schließlich brauchte es bei allen individuellen Vorstellungen und Träumen am Ende eine formal und finanziell tragfähige Lösung. Selbstverständlich sind damit am Ende nicht alle hundertprozentig glücklich, und manche haben sich überarbeitet. Nachbarin Steff sagt: „Die Diskussionen können einen schon mal atemlos machen. Man unterschätzt einfach, wie viel Arbeit, Geld und Risiko in so einem großen Projekt für jeden Einzelnen stecken.“ Ursula wünscht sich mitunter professionellere Entscheidungen: „Manchmal verhindert die Basisdemokratie auch sinnvolle Entscheidungen.“ Sie kritisiert, dass sich Einzelne als „kleine Dorfpolitiker“ aufspielen – ohne sich zum Beispiel mit komplexen Baufragen genau auszukennen. Sie wünscht sich mehr Pragmatismus und ein strukturiertes Vorgehen.

Der jährliche Allmende Flohmarkt
Der jährliche Allmende Flohmarkt
Ebenfalls einmal im Jahr: das große Sommerfrühstück - Copyright des Fotos: Kerstin Wittmeier-Fröhlich
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Sehr beliebt in allen Altersgruppen: Gemeinsam Löcher buddeln - Copyright des Fotos: Silvia Sass
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Bei einem Richtfest. Standort und Blickrichtung lassen das Haus Morgentau vermuten. - Copyright des Fotos: Udo Lembke
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Nicht allerorten tobt stets das pralle Leben... - Copyright des Fotos: Udo Lembke
Nicht allerorten tobt stets das pralle Leben...
... nur an manchen. Manchmal. - Copyright des Fotos: Gero Pflaum
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Den Fußballplatz haben inzwischen leider die Wühlmäuse und Maulwürfe in eine Berg- und Talbahn verwandelt.  - Copyright des Fotos: Ulrich Kopp
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