Architektur und Freiraum
Vom Zweckbau zum Schmuckstück

Vor dem Umbau des ehemaligen Ausbildungszentrums Wulfsdorf (AZW) standen Bewohner- sowie Planer- und ArchitektInnen vor einer großen Aufgabe.

Der Allmende die Krone aufsetzen Die Vorgaben waren klar: ökologisch bauen, Gemeinschaftsflächen schaffen und naturnah gestalten, individuelle Wohnformen entwickeln. Zahlreiche Wünsche und Träume waren zu erfüllen, am Ende sollte aber auch ein Ganzes entstehen. Die Lösungen sind so vielfältig wie die Nutzer – und ergeben doch ein stimmiges Bild. Wer das Gelände noch von früher kennt, traut heute kaum seinen Augen. Aus schmucklosen Zweckbauten der 70er Jahre sind moderne Wohnhäuser geworden. Der gesamte Altbaubestand und die Siedlungsstruktur sind erhalten worden. Auf den alten Gebäuden thronen nun holzverkleidete Dachgeschosse. Als Staffelgeschosse im Holzständerwerk errichtet, lassen sie auf einem Viertel der Dachfläche Platz für Dachbegrünungen. Offene Treppenhäuser und Laubengänge sowie vorgestellte Balkone geben den Fassaden zusätzlich ein Gesicht.

Aus einem Guss Die Architektur der Gebäude ist von innen nach außen geplant. Ausgehend von den Wohnbedürfnissen der zukünftigen Nutzer entstanden so individuell gestaltete Wohnungen in Größen von 22 bis 140 Quadratmetern Wohnfläche mit unterschiedlichen Ausstattungsstandards. Zehn Architekturbüros waren auf dem Gelände tätig: So tragen die Gebäude heute unterschiedliche Handschriften – die Altbauten haben einen neuen Charakter bekommen, die Neubauten setzen spannende Kontrapunkte als Solitäre. Dass das Ensemble trotzdem wie eine geschlossene Einheit wirkt, liegt auch an den kleinen Nebenbauten und den Freiräumen: Die geschwungenen Wege sind fantasievoll gepflastert, eine insektenfreundliche Beleuchtung sorgt für ein Minimum an Licht und sichert die Orientierung im Dunkeln. Zwölf baugleiche Fahrradschuppen mit Gründach setzen einen gestalterischen Akzent neben den Wohnbauten.

Freiräume für alle Der größte Teil der Grundstücksflächen ist offen für alle Bewohner. Die naturnahe Gestaltung schafft Orte mit unterschiedlicher Stimmung: vom geselligen „Platz der Begegnung“ bis zum „Garten der Stille“. Die gemeinschaftlich genutzten Höfe zwischen den Gebäuden sind beliebte Plätze zum Spielen und Feiern. Das gesamte Grundstück kommt fast ohne Zäune aus – nach innen wie nach außen. Ein fünf Meter großer Bereich rund um die Gebäude kann von jeder Hausgemeinschaft individuell gestaltet werden. Die Freiflächen wurden von allen Generationen im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens zusammen mit einem Landschaftsarchitekten geplant und gestaltet. Das Ergebnis sind die Wegeführung, die Mischung aus Ruhezonen, Spielflächen und gestaltete Hausgärten. Besonderen Wert legen wir darauf, dass der Dorfkern autofrei bleibt. Gemeinsam pflegen wir das Gelände, das naturverträglich mit einheimischen Gehölzen bepflanzt ist.

Besonderheiten auf Allmende und Umgebung Aus einer der größten deutschen Wildrosen-Sammlungen ist ein Lehrpfad entstanden. Rosenfreunde können etwa hundert Sorten der Urahnen der modernen Gartenrose bewundern. Bei einem Rundgang auf dem Gelände fallen acht Steinskulpturen auf: Sie sind das Ergebnis eines künstlerischen Projektes von BewohnernInnen und eines Künstlers. Aufgestellt wurden sie an Kraftorten, um positive Energien auf dem Gelände zu stärken.

Sanierter Altbau. Balkon dran, Garten drum, Staffelgeschoss drauf - fertig ist die Laube.
Sanierter Altbau. Balkon dran, Garten drum, Staffelgeschoss drauf - fertig ist die Laube.
Feldsteine jeder Größe sind die Ureinwohner Wulfsdorfs. Sie nicht in die Gestaltung zu integrieren ist unmöglich. - Copyright des Fotos: Silvia Sass
Feldsteine jeder Größe sind die Ureinwohner Wulfsdorfs. Sie nicht in die Gestaltung zu integrieren ist unmöglich.
Der Dorfplatz, als die Wege gerade gepflastert wurden.
Der Dorfplatz, als die Wege gerade gepflastert wurden.
Teil des Dorfplatzes (inoffiziell "Obstwiese" genannt) mit Spielgeräten. - Copyright des Fotos: Silvia Saß
Teil des Dorfplatzes (inoffiziell "Obstwiese" genannt) mit Spielgeräten.